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Mittwoch, 15. Mai 2013

NewsFromTelAviv...Jasmin im Interview

Tel-Aviv

Ouuuhh, ein Eintrag, der schon lange überfällig ist...immerhin bin ich bereits seit 9 Monaten weg! Um quasi mal etwas Licht ins Dunkel zu bringen, wieso, weshalb, warum ich in Israel und dort vor Ort und überhaupt, dachte ich, könnte euch das Interview interessieren, was die liebe Thekla von der "Diakonie Mitteldeutschland" mit mir führte.
Viel Spass mit einer kleine Auswahl der Fragen wünscht euch Jasmin!



Jasmin, Du bist jetzt seit August in Israel.
Viele Dinge sind gewiss nun schon zum Alltag geworden. Interessant wäre dennoch zu erfahren, welches Erlebnis am Anfang stand, da Du dachtest: „Jetzt bin ich wirklich in einer anderen Welt.“
 
Am Anfang standen einige Ereignisse, die einem so fremd erschienen und diese andere Welt erahnen ließen. Nehmen wir zum Beispiel die erste Busfahrt vom Bahnhof in Haifa zu unserem Hotel, wo in der ersten Woche in Israel unser „Das-Land-Kennenlern-Seminar“ stattfand. Ich habe gedacht ich sterbe. Man muss dazu sagen, dass die Straßen in dieser israelischen Stadt nur aus Berg und Talfahrten bestehen und die Busse auch schon bessere Tage erlebt haben. Da saß ich also in einem überfüllten, muffigen Bus auf meinem Gepäck für ein Jahr und hoffte bei jeder Kurve und jeder Abfahrt, dass die vor Anstrengung ächzenden Bremsen nicht versagen würden. In den nächsten Tagen lernte ich, dass Straßenverkehr in Israel etwas ganz anderes bedeutet, als in Deutschland mal zu Besuch zur Oma zu tuckern.


Welche Dinge, Begegnungen, Kleinigkeiten des Alltags, dieses für uns derzeit wieder nur in Zusammenhängen mit Konflikten bekannten Land, sind Dir sofort oder mit der Zeit „ans Herz
gewachsen?“

Ich liebe es, jeden Morgen auf die gleiche Weise zur Arbeit zu gehen und den Patienten, denen ich auf meinem Weg begegne einen Guten Morgen („Boker tov“) zu wünschen. Ich kann leider noch kein wirkliches Gespräch auf Hebräisch führen, aber DAS versteht jeder und es bleibt immer noch ein bisschen Zeit für ein kleinen Scherz, oder ein kurzes „Ma nischma?“ (Wie geht’s).
Die Menschen hier sind extrem hilfsbereit und gastfreundlich. Wie viele Einladungen ich schon bekommen habe für einen privaten Besuch zu Hause. Auch Trampen ist gar kein Problem. Spätestens nach 15 Minuten findet sich ein netter Israeli, der einen mitnimmt, oft auch noch weiter, als sein eigenes eigentliches Ziel.
Dadurch habe ich schon viele nette Bekanntschaften machen können.
Sobald man auch nur ein bisschen Interesse an ihrem Land zeigt, sind die meisten so erpicht darauf, dir alles nahe zu bringen, was sie wissen, was oft auch den Rahmen meiner Englischkenntnisse sprengt…
 
Spass am Mittelmeer

Und woran kannst Du Dich bis heute nicht gewöhnen. Was bleibt Dir fremd?

Dieses Chaos hier. Manchmal wird hier ein einfacher Brötchenkauf zum Überlebenstraining. Es existiert keine Kassierschlange. Man steht inmitten eines Pulks von Leuten die alle mit ihren Tüten voll mit Backwaren Richtung Kassierer wedeln. Der mit dem längsten Arm oder stärksten Ellenbogen gewinnt.
Eine Sache an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Das ist alles auf gar keinen Fall mit böser Absicht, das ist hier normal.
Auch extrem laut geführte Telefonate oder Gespräche sind alltäglich gegenwertig. Es wird nicht gesprochen, sondern gebrüllt und wild artikuliert. Ich habe jedes Mal Angst, dass sie sich gleich an die Gurgel gehen und das vermeintliche „Gespräch“ in einem handfesten Streit ausartet. Aber zum Schluss wird sich mit einem netten „Joffi, toda!“ (Schön, danke!)verabschiedet, als ob nichts gewesen wäre.
Und ganz wichtig! Woran ich mich nie gewöhnen werde, ist die seltsame Plastiktütenverpackung für Milch. Ganz normale Milch gibt’s hier nicht in Tetrapacks, sondern in… TÜTEN, die dann wiederum in einen Spezialbehälter kommt, damit man besser einschenken kann. Verrückt, oder???
 

MoscheeBesuch in Akko


Du arbeitest für die Sprachtherapie eines Zentrum für Rehabilitation, dem ‚Re‘ut Medical Center‘.
Versuche doch einmal kurz einen Arbeitstag zu beschreiben?

Ich beginne 8:45 Uhr. Etwas später als meine Mitvolontäre, da ich nicht beim Frühstück in den Stationen mithelfen muss. Dafür ist mein Arbeitstag meist 2 Stunden länger.
Meine Hauptaufgabe besteht darin Patienten in Rollstühlen von den einzelnen Stationen pünktlich zu ihren Sprachtherapie-Stunden zu bringen und danach auch heile wieder zurück. Das klingt einfacher als es ist! Verständlicherweise verbringen die Patienten nicht den ganzen Tag in ihren Zimmern, sodass ich mehrfach am Tag das komplette Krankenhaus nach einer vermissten Person absuche.
Außerdem gibt es immer mal etwas zu kopieren, schreddern oder einzulaminieren. Wenn ich Zeit habe, gehe ich zum ‚floor 5‘, der Kunstraum des Krankenhauses. Das macht besonders viel Spaß, da wird gebastelt, geschnattert und manchmal, wenn ich ganz viel Glück habe auch gekocht oder gebacken.
Die Patienten sind alle sehr dankbar und immer für ein Gespräch zu haben, auch das gehört zu den Aufgaben eines Volontärs hier im ‚Reuth Medical Center‘, den Patienten den Alltag zu vereinfachen und wenn möglich zu versüßen.
 

Petra 

 
Hast Du das Gefühl, Dich als Freiwillige einbringen zu können?

Auf jeden Fall.
Es ist immer gern gesehen, wenn man sich selbst einbringt. Natürlich sollte das vorher mit einem Ansprechpartner abgeklärt sein. So haben einige Volontäre und ich geplant, ein kleines Konzert im Kunstraum zu geben.
Aber auch in kleinerem Rahmen z.B. in Gesprächen mit Patienten, oder besonderen Veranstaltung ist der individuellen Gestaltung keine Grenzen gesetzt.

Wie ist die Reaktion der Patienten?

Sie genießen es. Jeder der schon einmal länger als ein Tag im Krankenhaus war, weiß wie trist und langweilig so ein Aufenthalt sein kann. Einige Patienten bleiben hier für eine lange Zeit um die ganzen Rehabilitationstherapien zu beenden. Jegliche Abwechslung kommt da gelegen.
Um so spannender ist es natürlich auch, dass die hier arbeitenden Volontäre von der ganzen Welt kommen. Zurzeit sind neben fünf weiteren Deutschen noch eine Polin, ein Italiener, ein Mexikaner, drei Amerikaner, eine Südafrikanerin und eine Belgierin da.
 
Mit Muttern in Bethlehem

 
Solch ein Jahr im Ausland führt ja auch zu einer ganz neuen Begegnung mit sich selbst. Was ist Dir in diesem Zusammenhang aufgefallen?

Hm. Eine gute Frage.
Ich habe gelernt mit Menschen umzugehen, die eine ganz andere Kultur, ein ganz anderen Ursprung besitzen als ich. Teilweise auch eine ganz andere Meinung vertreten.
Ich habe gelernt mit Menschen umzugehen, mit denen es das Schicksal gerade nicht so gut meint. Feinfühlig zu sein.
Ich habe zu schätzen gelernt, in was für einer behüteten Umgebung ich aufgewachsen bin, ohne Kriege und mit viel Toleranz.
Ich habe gelernt, dass die Wahrheit zwei Gesichter haben kann. Und wenn einer Recht hat, der andere nicht unbedingt Unrecht haben muss.
(Ich habe gelernt, dass jeder Mensch auf seine Weise verblendet ist. Egal wie weise er auch sein mag, aber es ist nicht möglich alles zu wissen und so wird das Denken automatisch einseitig.)

 
Meinst Du, Du hättest dies auch in der Intensität bei einem Freiwilligendienst in Deutschland erleben können?

Es wäre sicherlich anders gewesen. Bestimmt nicht schlechter, aber anders. Nicht so intensiv und ohne lustige Deustch/Englisch/Hebräische Missverständnisse 


Jordanien!
 
Wie steht es um die Einsamkeit? In Zeiten von facebook und Skype keine Frage mehr, oder doch? Fühlst Du Dich dennoch von Deinen Freunden, Familie in Deutschland getragen?

Ich muss sagen, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Natürlich ist es in manchen Situationen schwerer, wenn man seine Familie nicht um sich herum hat, vor allem zum Geburtstag, oder jetzt gerade in der Weihnachtszeit. Jedoch bekomme ich oft Post aus Deutschland von Freunden und Familie und ich versuche eigentlich jede Woche mit meiner "Frau Mutter" zu skypen, das macht das alles mehr als erträglich.
 

Am Toten Meer
 


Empfindest Du Dich als eine Art „Deutsche Botschafterin“ oder eher als Erdenbürgerin unter anderen Erdenbürgern?

Eigentlich beides. Dadurch, dass alleine die Volontäre aus unterschiedlichen Ländern kommen, vergleicht man natürlich. Man tauscht Ideen und vor allem Rezepte aus.
Viele Israelis kennen die bei uns gängigen Feiertage gar nicht. Mitte September z.b. kam meine Chefin von der Sprachtherapie auf mich zu und fragte mich, ob heute Weihnachten sei. Sie hatte da sowas geträumt und glaubte nun mir zu Weihnachten alles Gute wünschen zu müssen. Ich bedankte mich höflich und versicherte ihr, dass sie dafür noch etwas Zeit hätte.
Auch andere Feiertage, wie der Reformationstag, Buß-und Bettag, oder der nicht zu unterschätzende Nikolaus sind in der allgemeinen unchristlichen Bevölkerung nicht geläufig und mir ist aufgefallen, wie schwer es teilweise ist, den Inhalt bzw. den Hintergrund dieser Festivitäten (auf Englisch) zu erklären.

 
Auch der Norden ist vor mir nicht sicher!


Wie, diese Frage bleibt bei Israel nun einmal nicht aus, geht es Dir mit Deinem Deutschsein in Israel?

Ich hatte es mir viel schwerer vorgestellt, mit vielen Diskussionen und Unverständnis.
Doch das Gegenteil ist der Fall.
Als Deutscher wird man hier mit offenen Armen empfangen. Israelis lieben Deutschland. So war nahezu jeder auch schon mal im Urlaub in Deutschland.“Aaaahh… Berlin. Berlin!“ oder „Münchchän, Münchchän!“ bekommt man als Reaktion auf die Aussage, dass man aus Deutschland kommt. Da ist also absolut gar kein Problem mehr zu entdecken.
Jedoch gibt es einige Patienten, mit denen ich mich nur mit einem mulmigen Gefühl unterhalten kann. Sie haben das unverkennbare Zahlentatoo am Unterarm. Ich weiß dann meist nicht, wie ich mit der unangenehmen Situation umgehen soll, aber für die Patienten ist mein Deutschsein, soweit ich das einschätzen kann, kein Problem.
 
Mit der Sippe chill'n im Kibbutz


Und nun aus der Position einer Einwohnerin Tel Avivs und nicht mehr nur als Nachrichtenhörerin, sind Dir die politischen Problemfelder Israels klarer geworden oder haben sich eher die Fragen vermehrt?


„Klarer“ ist was anderes. Für mich ist es ein ewiges hin und her. Jeder fühlt sich von den anderen auf den Schlips getreten und keiner will wirklich Eingeständnisse machen. Zu der „Erkenntnis“ bin ich für mich gekommen. Aber dass ich sagen könnte, dass ich das alles verstehe und unterstütze/verurteile, dafür weiß ich einfach zu wenig.
Die Nachrichten sind da auch zu einseitig, als dass Jasmin Rolke das große Ganze jemals begreifen könnte.

The DeadSea



Kommen wir von der Politik wieder zu den schmackhafteren Wahrheiten? Hast DU ein Lieblingsgericht?

Eindeutig FALAFEL mit HUMUS. Obwohl FALAFEL mit HUMUS ist auch nicht schlecht. Habe ich schon FALAFEL mit HUMUS erwähnt???

 

Und was vermisst Du in der Küche?

BROT, BROT, BROOOOT!!!!



So...jenuch erstmal würd' ich sagen! Auf Bald!
 


2 Kommentare:

  1. Also das Interview ist superinteressant, finde ich jedenfalls. Ich finde es immer sooo wertvoll, aus erster Hand zu erfahren, wie der Alltag in einem Land ist. Und Israel interessiert mich sowieso sehr. Tolle Bilder hast du uns auch mitgebracht. Wie hast du deine Wohnung gefunden?
    Ich wünsche dir weiterhin tolle Erfahrungen.

    LG Nina

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  2. richtig spannend, das interview.

    mein lieblingssatz ist:
    (Ich habe gelernt, dass jeder Mensch auf seine Weise verblendet ist. Egal wie weise er auch sein mag, aber es ist nicht möglich alles zu wissen und so wird das Denken automatisch einseitig.)

    wie wahr, wie wahr - obwohl ich ganz sicher auch zu den verblendeten zähle. ;)
    mein lieblingszitat von picasso: wenn es nur eine wahrheit gebe, könnte man nicht 1000 bilder von ein und demselben thema malen...oder so ähnlich. :)

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Vielen Dank für jeden Kommentar von euch. Wenn möglich versuche ich auf alle eure Anliegen einzugehen und euch zu antworten!
Rebekka